Informationen zum Buch

Wer Demenz hat, gilt schnell als verrückt, fühlt sich ausgegrenzt und alleingelassen. Unter unzähligen Vorurteilen und immensen Berührungsängsten leiden auch die vielen betroffenen Familien. Dass es auch anders geht, dass Betroffene nach der Diagnosestellung noch aktiv und kreativ sein können, wird bisher kaum öffentlich wahrgenommen. 

Das Buch „Was geht… – Aktivitäten und Potenziale von Menschen mit Demenz“ möchten Mut machen und anstiften, umzudenken und auszuprobieren, was Menschen mit Demenz noch vermögen.

Das Buch zeigt, was betroffene Menschen begeistert, was ihr Leben nach der Diagnose weiterhin lebenswert macht und welche Rahmenbedingungen förderlich und erforderlich sind.


WAS GEHT
  erzählt Geschichten mit Beispielen von Menschen, die sich trotz Demenz kreativ und aktiv betätigen – scheinbar selbstverständlich und trotzdem anders

WAS GEHT … stellt vielfältige Erfahrungen von Initiativen und bürgerschaftlich Engagierten vor, die helfen, dass Menschen mit Demenz und ihre Familien weiter aktiv am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können
WAS GEHT … zeigt verbliebene Potenziale und Fähigkeiten
WAS GEHT … lässt Anteil nehmen an einzigartigen Augenblicken voller Begeisterung und Freude
„Das Wichtigste, was wir als Nichtbetroffene lernen dürfen: man muss vertrauen können, dass etwas geht …“

Leseproben

Über die Kunst des Loslassens


Musik ist alles – und noch viel mehr


„Stimmt‘s, wir beiden schaffen das!“


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Nachdenklich betrachtet Udo Steffan die Skulptur des „Christus im Elend“ von allen Seiten. Die Darstellung des Christus, der die Dornenkrone aufgedrückt bekam und auf die Geißelung wartete, hat ihn zutiefst berührt. Was mag ihm durch den Kopf gegangen sein? Welchen stillen Dialog hat er mit dem verzweifelten Christus geführt? Teilt er mit ihm Fragen und Zweifel?

Udo Steffan braucht Zeit, um ans Werk zu gehen. Eine erste Vorstellung muß entstehen. Damit aus dem Stein eine sichtbare Form erwächst, werden die Zeit und der Meister an seiner Seite sein.
Irgendwann käme er aus der Beschäftigung gar nicht mehr raus, hätte immer vor Augen, was zu tun sei, erzählt er nachdenklich. Da kann es schon sein, dass er sich gestört fühlt durch andere. Er weiß, dass wenn etwas abgeschlagen ist, es kein Zurück mehr in den Ursprungszustand gibt. Was weg ist, ist weg . Es verbleibt jedoch die Möglichkeit, aus dem Stein eine andere Figur, eine andere Form entstehen zu lassen. Dazu muß er umdenken und lernt vielleicht an den Montagvormittagen bei Peter Medzech die „Kunst des Loslassen“.

Udo Steffan geht gern zum Bildhauern. Er mag den Meister, die Atmosphäre und das kreative Tun.
Doch sei es auch anstrengend für ihn, die Vorstellung im Kopf mit der Ausführung am Stein in Übereinstimmung zu bringen.

So freut er sich nach den drei Stunden in der Werkstatt auf sein Sofa, die Hausmannskost seiner Frau und den geliebten Hund.

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Wenn im Duisburger Schlenk der Boden erbebt, temperamentvolle Rhythmen steife Knie weich werden lassen und stimmungsvoll verkündet wird, dass dem „schönen fremden Mann“ „Marina“ folgt, ist Orchesterprobe im AWOcura Seniorenzentrum.

Folgt man den Tönen, den Melodien der Hits aus den 60ern oder noch älterer Kamellen, gelangt man zu einem Raum, in dem eine bunte Truppe nicht mehr ganz junger, lustvoll musizierender und singender Menschen sitzt. Gehhilfen und Rollatoren stehen dichtgedrängt und unbeachtet an den Wänden. Nun sind andere Tempi angesagt, Rhythmen, die den Puls hoch und Herzen höher schlagen lassen …
Zum Glück ist Orchesterleiterin Jutta Muntoni in der Lage, ihre Ohren und Augen im Raum zu verteilen. Demjenigen, der abzuschweifen beginnt, schickt sie die Töne rüber. Für Leonore Körner wird sie eine Strophe lang Spiegel sein und mit ihr im Gesang verschmelzen. Die Nachbarin erhält mit einer Geste und einem Lächeln den Hinweis, weiter zu klatschen und zum rechten Zeitpunkt, ihr Chimes zu streichen.

Die Atmosphäre im Raum ist immer noch berauschend. Lust und Leidenschaft haben sich über die Gemüter gelegt und Wangenrot gezaubert.

Und vielleicht sieht man nach der Probe immer noch singende oder summende Menschen, weißhaarig und faltig, den hellen Probenraum der AWOcura verlassen, ihre Rollatoren hinter sich herziehend statt schiebend und ein himmlisches Lächeln verteilen oder mit auf ihre Zimmer nehmend.

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Es ist einer der Tage, auf die Joachim Abramski sich ganz besonders freut. Gestiefelt und gespornt wartet er vor der Haustür auf seinen Freund und Radfahrbegleiter Eberhard Maskus. Als dieser vor ihm steht, legt sich ein beseeltes Strahlen über sein Gesicht. Urplötzlich weiß er ganz genau, was zu tun ist, schwingt sich aufs Rad, als gäbe es nichts Selbstverständlicheres, tritt in die Pedalen und fährt.

Seit gut einem Jahr begeben sich die beiden ein- bis zweimal wöchentlich auf große Tour. Ohne weiteres legen sie dann Strecken bis zu 35 Kilometer am Stück zurück. Schon bei der ersten Tour sei Joachim „Feuer und Flamme“ gewesen, erzählt Eberhard Maskus. Es passte einfach alles zwischen den beiden.

Seitdem Eberhard Maskus, ehrenamtlicher Begleiter der Einzelradtouren des Mindener Vereins auftauchte, um mit Joachim regelmäßig Rad zu fahren, sei dieser wie ausgewechselt. Weder seine Frau noch deren Schwester, die sich beide rührend um ihn kümmern, hätten dies zu glauben vermocht.

Radfahrtage sind Glückstage. Müde und hungrig, jedoch zufrieden und erfrischt kehren beide zurück und Joachim Abramski trägt sie auf den Lippen, die bange aber wichtigste Frage an seine Frau: „Stimmt ́s, wir beiden schaffen das!“.

 

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Über die Kunst des Loslassens

Aus dem Buch „WAS GEHT … – Aktivitäten und Potenziale von Menschen mit Demenz“

Nachdenklich betrachtet Udo Steffan die Skulptur des „Christus im Elend“ von allen Seiten. Die Darstellung des Christus, der die Dornenkrone aufgedrückt bekam und auf die Geißelung wartete, hat ihn zutiefst berührt. Was mag ihm durch den Kopf gegangen sein? Welchen stillen Dialog hat er mit dem verzweifelten Christus geführt? Teilt er mit ihm Fragen und Zweifel?

Udo Steffan braucht Zeit, um ans Werk zu gehen. Eine erste Vorstellung muß entstehen. Damit aus dem Stein eine sichtbare Form erwächst, werden die Zeit und der Meister an seiner Seite sein.
Irgendwann käme er aus der Beschäftigung gar nicht mehr raus, hätte immer vor Augen, was zu tun sei, erzählt er nachdenklich. Da kann es schon sein, dass er sich gestört fühlt durch andere. Er weiß, dass wenn etwas abgeschlagen ist, es kein Zurück mehr in den Ursprungszustand gibt. Was weg ist, ist weg . Es verbleibt jedoch die Möglichkeit, aus dem Stein eine andere Figur, eine andere Form entstehen zu lassen. Dazu muß er umdenken und lernt vielleicht an den Montagvormittagen bei Peter Medzech die „Kunst des Loslassen“.

Udo Steffan geht gern zum Bildhauern. Er mag den Meister, die Atmosphäre und das kreative Tun.
Doch sei es auch anstrengend für ihn, die Vorstellung im Kopf mit der Ausführung am Stein in Übereinstimmung zu bringen.

So freut er sich nach den drei Stunden in der Werkstatt auf sein Sofa, die Hausmannskost seiner Frau und den geliebten Hund.


Dieses Buch konnte erscheinen
mit freundlicher Unterstützung von:

Vitanas GmbH & Co. KGaA
Pfegestation Meyer & Kratzsch GmbH & Co. KG
AWOcura gGmbH
Hauskrankenpfege Berlin Mitte HS GmbH
Kerstin Vogel und Eckhard Baier, Saalborn
Ehepaar Platenius, Löhne
Ehepaar Wulf, Minden
Ehepaar Neitzel, Minden
Ulrike Weber, Grebin
Martina Feulner und Franz Held, Freiburg
Harriet und Bodo Heier, Minden
Edith Heier, Minden.

Informationen zum Buch - EDITION UHLENSEE